Die Analphabetin, die rechnen konnte

Die Analphabetin, die rechnen konnte
  • Humor
  • Handlung
  • Spannung
  • Schreibstil
4.5

Information:

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte
Autor: Jonas Jonasson
Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
Erscheinungsdatum: November 2013
Seiten: 464
Erzählort: Südafrika und Schweden
Erzähldatum: 1961 – 2007
Erzählperspektive: Auktorialer und Personaler Erzähler
Genre: Unterhaltungsroman
ISBN: 978-3-570-58512-2

Inhalt:

Nombeko Mayeki wächst in einem Elendsviertel in Soweto (Südafrika) auf, muss schon früh für sich selbst sorgen und kann weder lesen noch schreiben. Dafür ist sie jedoch ein unglaubliches Rechengenie. Als sie durch einen glücklichen Zufall endlich die Möglichkeit erhält, ein besseres Leben führen zu können, wird sie von einem Auto überfahren. Der Fahrer ist ein Ingenieur, der in dem Kernforschungszentrum Pelindaba verantwortlicher Leiter eines geheimen Atomwaffenprogramms ist, das den Zweck des Baus von sechs Atombomben hat. Obwohl der Ingenieur schuldig ist, wird Nombeko zu mehreren Jahren Arbeit für den Ingenieur verurteilt. In Pelindaba erweist sie sich als erstaunlich intelligent und belesen in den Sachen, die eigentlich der vollkommen inkompetente, stupide und alkoholisierte Ingenieur wissen sollte, und wird bei der Konstruktion der nuklearen Sprengköpfe für ihn zu einer nicht mehr wegzudenkenden „Stütze“. Ihre neu erlangten Kenntnisse über das geheime Projekt bringen sie allerdings in Lebensgefahr, sodass an Flucht gar nicht zu denken ist.

Als dem Ingenieur jedoch ein katastrophaler Rechenfehler unterläuft und sich die politische Lage verändert, scheint Nombeko den lang ersehnten Ausweg zu erhalten: Mit Hilfe des israelischen Geheimdienstes als Flüchtling nach Schweden auszuwandern. Doch von einem sorgenlosen Neubeginn kann nicht die Rede sein, denn eine eigentlich nicht existierende siebte Atombombe kommt zufälligerweise auch in Schweden an. Zusammen mit dem ebenfalls nicht wirklich existierenden Holger zwei versucht Nombeko die Atombombe dem schwedischen Ministerpräsidenten oder dem König zu übergeben, was gar nicht einfach ist, und gleichermaßen die Waffe vor Missbrauch durch Holgers grausam dummen, unberechenbaren und fanatischen Zwillingsbruder Holger eins und dessen zorniger Freundin zu schützen. Als ob das nicht schon genug Probleme wären, kommen noch allerhand mehr Schwierigkeiten auf sie zu, vor allem zwei israelische Geheimagenten und weitere Menschen, die unkonventionelle Vorstellungen haben.

Meine Meinung:

Wie viele Zufälle können im Leben passieren und wie „großartig“ sind dann diese? Bereits in „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, dem ersten Roman von Jonas Jonasson, bewies der Autor ein einmalig umwerfendes Talent dafür, unglaubliche und vollkommen unerwartete Zufälle zu erschaffen. Doch mit seinem zweiten Roman „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ scheint er dem Ganzen noch eine Ladung drauf gesetzt zu haben: Eine Analphabetin, die in einem Armutsviertel in Afrika aufwächst und durch völlig undenkbare Zufälle in den Besitz einer eigentlich nicht existierenden Atombombe gerät (mitten in Schweden), die sie aber einfach nicht mehr loswerden kann.

Der Fortgang der Handlung wird eben hauptsächlich durch diese erstaunlichen und definitiv überraschenden Zufälle sowie den bizarren Wendungen gegeben. Dabei hat der Autor wirklich alles ausgeschöpft und außerordentlich sorgfältig darauf geachtet, dass es eine absolut verrückte, unberechenbare, höchst amüsante und schräge Geschichte wird, die überhaupt nicht, also niemals, in „normalen“ Bahnen verläuft – was ihm wirklich exzellent gelungen ist. Denkt man, noch verblüffender kann es nicht werden, dann täuscht man sich, es gibt immer noch eine Steigerung. Die Geschichte bietet ständig etwas neues Bizarres, das man sich niemals hätte vorstellen bzw. auch nur hätte erahnen können, und dadurch für einen fast krampfhaft pausenlosen Humor sorgt mit skurrilen Begebenheiten oder Sätzen, die zum Lachen bringen. Zu jedem Zeitpunkt sollte man das Unerwartete erwarten – anders ausgedrückt: beim Lesen dieses Buches habe ich schon regelrecht auf die nächste verrückte Wendung gewartet.

Bei allen absolut positiven Aspekten ist es dennoch recht anstrengend und mühsam die Geschichte mit all den Kleinigkeiten und deren roten Fäden, die sich durch das Buch ziehen, aufmerksam zu verfolgen. Hier und da wurde es ein bisschen zu langatmig und erschöpfend.

Es gibt zwei parallel verlaufende Handlungsstränge, die sich nach einiger Zeit in Schweden zusammenfügen. Der eine handelt von Nombekos Leben in Afrika, der andere von Holgers Leben und das seiner Eltern in Schweden. Die Geschichte selbst erstreckt sich größtenteils über einen Zeitraum von beinahe fünfzig Jahren, wobei man vieles aus der Vergangenheit nur in Bruchstücken erfährt bis es zu dem tatsächlichen Thema kommt. Geschichtsbezogen ist das Buch auch, denn die Politik innerhalb dieser Jahrzehnte wird recht spöttisch und humorvoll wiedergegeben.

Aufgebaut ist die Geschichte in mehrere Teile, diese wiederum in verschiedene Kapitel mit sonderbaren Titeln, die immer eine Vorausschau darauf geben, was auf den Leser in dem jeweiligen Kapitel zukommt.

Die Charaktere sind so unberechenbar und überraschend wie die Handlung selbst: U.a. die selbstbewusste, pragmatische und hochintelligente Nombeko, zwei ungleiche Zwillinge namens Holger eins und zwei (der eine ist intelligent und offiziell nicht existent, der andere ist grauenerregend politisch fanatisch und dabei völlig dumm und unwissend), drei unzurechnungsfähige Chinesinnen, ein paranoider amerikanischer Töpfer (ehemaliger CIA-Agent), ein alkoholisierter Ingenieur, eine impulsive und gewalttätige junge Zornige, zwei skrupellose israelische Geheimagenten, ein unerreichbarer und objektiver Ministerpräsident, ein gutgläubiger und naiver König und eine Gräfin, die eigentlich keine ist.

Der Schreibstil ist einmalig. Der Autor berichtet in einem unerschütterlich gelassenen, unauffälligen und deutlich unbekümmerten Schreibstil, selbst bei spektakulären und „nervenaufreibenden“ Szenen, was deshalb einen markanten Gegensatz zu der Handlung bildet – als würde er über ganz alltägliche Dinge erzählen. Und eben das Wort „alltäglich“ kann man für diesen Roman mit Sicherheit nicht verwenden.

Zum Schluss noch einmal vielen Dank an die Random House Verlagsgruppe für dieses außergewöhnliche Rezensionsexemplar!

Fazit:

Eine definitiv verrückte, bizarre, amüsante und vollkommen erstaunliche Geschichte voller unglaublicher Zufälle, sonderbaren Einfällen, lustigen Charakteren, bizarren Begebenheiten und undenkbaren Wendungen. Einzigartig, verblüffend und umwerfend. Wer dieses Buch noch nicht gelesen hat, weiß gar nicht, was einem alles schief gehen kann.

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